Frank Siegel
Hallo und herzlich Willkommen, ich begrüße alle Teilnehmer unserer Obility Talk Interview Premiere.
Wir haben versucht, das Ganze nicht am Schreibtisch zu machen, sondern eine gemütliche Atmosphäre zu schaffen.
Deswegen sitze ich bei mir zuhause auf dem Sofa und Uli auch. Genau in diesem Format wollen wir in Zukunft im Obility Talk Experten und Partnern die Möglichkeit geben, mit uns über Digitalisierung zu sprechen, damit sie mit ihrem Wissen und Ihrer Expertise Unternehmen und der Branche helfen, weiterzukommen. Wir wollen die Druckindustrie unterstützen, vor allem im Bereich der Digitalisierung.
In unserem heutigen Interview geht es um ein oftmals unterschätztes Thema. Nämlich, wie kann ich als Druckerei Digitalisierung konkret verkaufen und mehr Umsatz generieren? Viele Druckereien haben inzwischen digitale Services. Sie verfügen über Schnittstellen, Shops und so weiter, aber sie kommen gar nicht an den Kunden ran.
Man hat also investiert, aber der Return on Invest (ROI) bleibt aus. Daher ist es notwendig, dass man das auch richtig verkaufen kann, denn technisch ist alles da.
Print on Demand nenne ich da als Beispiel, oder dass der Kunde Lagerbestände abrufen kann, Web-to-Print ganz in vorderster Front, aber auch ganz einfache Auftrags-Schnittstellen oder ein Kundencenter, bei dem man dem Kunden die Möglichkeit gibt, dass er seine Angebote online sehen und zu einem Auftrag machen kann, oder dass er den Status seiner Aufträge sieht.
Das sind digitale Services, mit denen Unternehmen den Kunden Mehrwerte bieten. Es geht nicht mehr nur darum, dass man sein Druckprodukt verkauft, sondern wie man es schafft, digitale Services dem Kunden als Mehrwert zu verkaufen?
Zu diesem wichtigen Thema freue ich mich, heute Uli Jeusfeld begrüßen zu dürfen.
Herzlich willkommen, Uli. Wir kennen uns beide schon sehr lange, wir sind ja auch schon einige Zeit in der Druckbranche unterwegs. Vielleicht stellst du dich am besten selbst vor.
Uli Jeusfeld
Ja gerne, vielen Dank für die Einladung.
Wie du gesagt hast, wir kennen uns schon einige Zeit. Ich bin sehr lange in der Druckindustrie tätig, bin nach dem Studium zur Firma Xerox gegangen und habe dort selbst verkauft, aktiv im Mittelstand und im Konzernumfeld. Danach war ich 5 Jahre im Bereich Training tätig, habe mich 1998 selbstständig gemacht und bin über Heidelberger Druck und Müller Martini mitten in der grafischen Industrie gelandet. Seit der Zeit habe ich Druckereien trainiert. Das war am Anfang reines Vertriebstraining. Dann habe ich mich weiterentwickelt, auch über ein Engagement für Kodak Nexpress. Ich habe Potentialanalysen durchgeführt im Bereich Digitaldruck und Aufgaben in der Marketingberatung übernommen. Mittlerweile bin ich bei der Strategieberatung angekommen. Aber mein Steckenpferd ist weiterhin der Vertrieb. Es geht darum, wie verkaufe ich, wie geht man strategisch vor und wie verkauft man den Mehrwert und den Nutzen, den man als Druckerei mit seinen Produkten und Leistungen zu bieten hat?
Frank Siegel
Vertrieb und Digitalisierung in der Druckbranche ist ja eigentlich schon alles, worauf es ankommt. Damals in den 90er Jahren wurden die Xerox Vertriebler super ausgebildet und hatten herausragende Trainings, davon konnte man sicherlich gut profitieren. Warum ich eigentlich auch auf die Idee gekommen bin, mit dir zu sprechen ist, weil wir auch Obility Kunden haben, die davon profitieren können.
Die Technologien, die ich vorhin genannt habe, Print-on-Demand, Web-to-Print-Shops usw., sind genau die Tools, die wir unseren Kunden bereit stellen. Ich habe auch erfahren, dass du mit Kunden von uns zusammenarbeitest und die haben sehr begeistert von Dir gesprochen. Also hier schon mal gleich ein kleines Lob.
Uli Jeusfeld
Vielen Dank!
Frank Siegel
Wir haben uns im Vorfeld natürlich ausgetauscht und haben überlegt, wie können wir das Interview aufbauen. Wir haben gesagt, wir machen das über 3 Kernfragen. Die erste Frage lautet, wie finde ich überhaupt Kunden?
Es ist heute sehr schwierig. Ich kann nicht einfach einen Telefonhörer in die Hand nehmen und finde einen neuen Kunden.
Also lautet die zweite Frage, wie gehe ich überhaupt vor?
Das ist sicherlich der Kernbereich und die dritte Frage ist dann, wie kann ich mein Angebot so darstellen, dass der Kunde darin einen Mehrwert für sich erkennt?
Uli, was würdest du aus vertrieblicher Sicht sagen? Wie würdest du jetzt da vorgehen?
Uli Jeusfeld
Bevor ich anfange, vertrieblich aktiv zu werden, schau ich natürlich erstmal intern, was sind meine starken Produkte, was sind meine Leistungen, was ist Sinn und Zweck der Shops?
Zum Beispiel: Was will ich damit erreichen? Will ich Kleinkram zusammenfassen und Kunden darüber bedienen, mehr oder weniger standardisiert natürlich, oder will ich Neukunden-Potentiale erschließen?
Das sollte mir erstmal klar sein, weil ich es im Endeffekt mit 2 großen Wettbewerbsgruppen zu tun habe. Auf der einen Seite sind das Druckereien, die nur analoge Services anbieten. Zum Beispiel haben mindestens 60% aller Druckereien im deutschsprachigen Raum noch keinen Webshop.
Von denen kann ich Kunden gewinnen. Es geht um eine große Gruppe von Wettbewerbern mit vielen Kunden.
Die andere ist der ganze Online-Bereich, die großen Online-Drucker. Da muss ich mich erstmal positionieren und natürlich überlegen, was ich möglichen neuen Kunden anbieten kann und wie ich mich dabei differenziere, aber vor allen Dingen auch, was ich als Druckerei biete, wie zusätzliche Schnittstellen und Komfort zum Beispiel.
Frank Siegel
Ok, im Prinzip geht es erstmal darum, dass man sich strategisch ausrichtet, dass man sagt, wo will ich überhaupt hin, was will ich überhaupt tun? Und was kann ich mit meinen technischen Gegebenheiten tun?
Was ist der erste Schritt, den man machen soll. Wo kann ich mich absetzen? Die Strategie steht also erstmal im Vordergrund.
Uli Jeusfeld
Ja, absolut. Strategie ist das A und O, weil das Thema Webshop und Schnittstellen für Kunden ja nicht neu ist.
Das heißt, ich muss mir schon überlegen, wie ich vorgehe, wie setze ich meine Ressourcen ein, denn ich will ja auch einen Return on Invest erreichen. Unter 2 Jahren sollte sich das ganze Investment gerechnet haben.
Also schaue ich was meine Stärken sind, wie ich mich positionieren kann. Was sind meine Produkte, die ich anbieten möchte,
Frank Siegel
Ok.
Uli Jeusfeld
Aber vor allen Dingen schau ich auch auf die bestehenden Kunden. Nämlich, mit welchen Eigenheiten habe ich es da zu tun?
Was sind deren Vorlieben in der Bestellung?
Was berate ich in der Regel?
Wie möchten sie gerne bedient werden?
Welche Mentalität haben sie?
Und dann werde ich feststellen, dass ich vielleicht unterschiedliche Branchen bediene und die eine Branche ist vielleicht schnelllebig. Und die andere, wie zum Beispiel das produzierende Gewerbe, ist relativ langsam. Und die ganze Art und Weise, wie ich dann im Vertrieb bei neuen Kunden vorgehe, richtet sich natürlich auch an der Mentalität der Branche meiner Zielkunden aus. Das sind alles Fragen, die ich mir am Anfang stellen und die ich beantworten sollte, wenn ich an das Thema Schnittstellen ran gehe oder an das Thema geschlossene Shops.
Frank Siegel
Das heißt also, dass es gar nicht so sehr um Neukunden geht? Sondern die Frage, in welche Branchen gehe ich rein? Du sagst interessanterweise, dass man sozusagen bei sich zu Hause erstmal schaut. Es gibt ja Druckereien, die sind schon hundert Jahre alt und älter, da hat man natürlich einen großen Datenstamm. Das heißt also, man analysiert erstmal. Soll ich dann auch hergehen und sagen, okay, ich guck jetzt meine Kunden durch und dann rufe ich die auch an und frag da mal ab, oder wie?
Uli Jeusfeld
Ja genau.
Frank Siegel
Wie läuft sowas dann?
Uli Jeusfeld
Ich bereite das vor und dann starte ich am besten mit meinen guten Kunden. Ich muss ja auch zum Beispiel die Usability checken.
Funktioniert der Job?
Ist der Kunde zufrieden?
Worauf legt er Wert?
Um darüber zu lernen und Erfahrungen zu sammeln, bevor ich dann zu einem Neukunden gehe, der möglicherweise sehr kritisch ist und nicht immer ein offenes Feedback gibt, wie meine Kunden zum Beispiel. Also von daher immer intern mit dem bestehenden Kunden anfangen.
Frank Siegel
Ok.
Uli Jeusfeld
Zunächst schaut man, dass von der technischen Seite her alles in Ordnung ist. Das ist bei euch von Obility natürlich aufgrund eurer vielen Schnittstellen sehr einfach.
Aber die Erfahrung zeigt auch, dass manche Kunden ganz spezielle Anforderungen haben.
Ich habe mal ein Webprojekt begleitet und in diesem Shop konnte man sich während des Bestellprozesses einen Softproof anzeigen lassen und ihn dann genehmigen. Die Ansprechpartnerin auf der Kundenseite meinte, bei uns gibt es das Wort Softproof nicht und das möchten wir nicht. Könnt ihr das bitte ändern in der Ansicht? Das sind so Kleinigkeiten, die aber zeigen, dass ein individuell angepasster Shop große Vorteile bietet, zum Beispiel zu den großen Internet-Druckern, weil nicht jeder B2B Kunde glücklich ist im Supermarkt der Großen Online Drucker, weil dieser eben nicht die Individualität hat und der Kunde nicht die persönlichen Vorlieben genießt und nicht die Zeit und Kostenersparnis bekommt, die er will. Das interessiert da alles nicht. Das ist wie ein großer Supermarkt, da gehe ich einkaufen und gehe wieder raus.
Bei einem geschlossenen Webshop ist es so, dass dieser auf mich als Kunde individualisiert und personalisiert wird und das ist dann auch das Akquise-Argument, beziehungsweise eines der Argumente.
Frank Siegel
Ok, um noch mal auf die Kunden zurückzukommen. Du sagst, man sollte seine eigenen Kunden evaluieren. Heißt das, dort wo ich den besten oder die meisten Kunden habe, auf diese Zielgruppe gehe ich danach mit meinem Angebot zu? Oder könnte es auch sein, dass ich mich einfach generell frage, welche Zielgruppe passt zu mir?
Uli Jeusfeld
Ich sollte schon auch meinen Wunschkunden definieren, ein sogenanntes ideales Kundenprofil anlegen. Das hervorgeht aus unseren Kunden, von denen ich weiß, dass sie zum Beispiel nicht preissensitiv sind, oder bei denen liege ich mit meinem Service gut, das kommt gut an. Dann packe ich noch andere Kriterien rein, wie zum Beispiel hohes Druckvolumen und das wird dann so nach und nach mein Profil für den optimalen, idealen Kunden, den ich in der Realität selten erreiche. Dann habe ich eine Marschrichtung in die ich gehe.
Das andere ist das Thema Branchen.
Stell dir vor, du bist jetzt der Typ, der seit Jahren mit Handwerkern und produzierendem Gewerbe super klar kommt. Wenn du jetzt Umgang haben solltest mit Versicherungen und Banken, wie würde es dir als Vertriebler damit gehen? Das passt jetzt nicht so zur Mentalität, zur Art und Weise. Also, übertragen auf die Druckerei, welche Kunden passen am besten zu uns?
Frank Siegel
Ja, das ist ganz klar.
Uli Jeusfeld
Die nächste Frage ist, welche Kunden bringen was? Welchen Umsatz pro Produktgruppe zum Beispiel?
Und natürlich, was bringt das Ganze dem Kunden, wenn ich in Richtung Shop und Mehrwert denke, also der Kundennutzen intern. Je mehr Besteller es zum Beispiel auf der Kundenseite gibt, je mehr interner Aufwand ist natürlich auch nötig. Das muss man herausfinden, wieviel Aufwand da ist und wie man den Aufwand reduzieren kann. Das ist dann ja einer der geschäftlichen Mehrwerte eines Shops oder einer Schnittstelle.
Und erst dann kommen die anderen Themen. Wollen sie auch kalkulieren? Wollen Sie individuell gestalten?
Wollen sie den Logistik Prozess sehen? Wie oft wollen Sie benachrichtigt werden über Bestellgrößen und so weiter, also über die Abwicklung?
Aber der vertriebliche Ansatz ist zunächst mal, die sogenannten Pain Points und die internen Aufwände zu sammeln und strukturiert zusammenzuführen.
Frank Siegel
Ich denke, wenn man einer Zielgruppe oder einer Kundenart nachgeht, sammelt man auch schneller Erfahrungen und weiß dann beim dritten, vierten, fünften Projekt auch, was ich da fragen kann.
Welche Pain Points werden die haben und wo kann ich gezielt nachfragen?
Und kann dann meine Leistungen auch gezielt anbieten.
Uli Jeusfeld
Ja.
Frank Siegel
Ich nehme mal an, die Daten, die ich da von meinen Kunden bekomme, müssen auch gesammelt werden. Ist sicherlich ja auch noch ein Thema.
Uli Jeusfeld
Die gesammelten Daten sind die zukünftige Goldgrube.
Ich sollte alles sammeln. Das machen die wenigsten oder die wenigsten machen es in strukturierter Form. Ist ja generell ein Problem.
Auch im deutschsprachigen Raum, dass die Industrie- und Handels-Kunden gerne Marketing oder Programmatic Print machen möchten, aber nicht die richtigen Daten haben oder die Daten nicht in der strukturierten Form vorliegen, um dann gezielt den Endverbraucher mit Marketing Kampagnen zu beeinflussen. Und das gleiche gilt auch in der Regel für Druckereien.
Wer also die Daten hat, wer sie im CRM pflegt und regelmäßig für vertriebliche Marketing-Aktionen nutzen kann, der ist weit vorne.
Frank Siegel
Okay, aber das heißt auch, dass man entsprechende Systeme haben muss.
Es gibt ja Sales Force und Hubspot und weitere und, wer ein bisschen kleiner anfangen möchte, hat Obility.
Das gilt jetzt nicht nur, wenn man digitale Services verkauft, sondern im Endeffekt gilt das allgemein für den Vertrieb. Wer eine Kundenbasis und Kundendatenbank hat, der ist im Vorteil und hat die Goldgrube.
Da sind wir an dem Punkt, worin liegt der Unterschied im Verkauf digitaler Services gegenüber normalem, analogen Print.
Uli Jeusfeld
Generell kann man sagen, ich bin im Software-Vertrieb und im Lösungsverkauf, kein Produkt-Verkauf und ich arbeite in Projekten. Ich möchte ein geschlossenes Web to Print Portal verkaufen oder eine SAP Schnittstelle, zum Beispiel an einen mittelständischen oder größeren Kunden, dann ist das ja nicht mit einem Beratungsgespräch getan, sondern es fängt auf der Kundenseite mit einem internen Einkaufsprozess und einem Veränderungsprozess an.
Und ich habe es in der Regel mit mehreren Ansprechpartnern zu tun. Klassisch sind das Marketing, der Einkauf und die IT, welche unterschiedliche Interessen und Anforderungen haben.
Frank Siegel
Das heißt also, der Verkäufer muss sich auch auskennen, oder?
Uli Jeusfeld
Ja, sicherlich.
Frank Siegel
Er muss zumindest einen Kollegen haben, der dann einspringen und helfen kann, wenn gefragt wird, welche Schnittstellen habt ihr, könnt ihr auch eine JSON-Datei verarbeiten oder ähnliches. Ich weiß nicht, ob das der klassische Drucksachen-Verkäufer kann.
Uli Jeusfeld
Ja, das ist dann oft auch Teamarbeit.
Ich hatte im letzten Jahr ein Akquise Projekt mit einer Druckerei in der Chemie Branche. Die Chemie Branche hat sehr oft SAP im Einsatz. Das heißt, ich akquiriere erstmal nach dem Motto, wie oft wird denn bestellt?
Wie ist der interne Weg von der Anforderung einer Fachabteilung bis zur endgültigen Bestellung? In den meisten Fällen werden Anforderungen dann an den Einkauf gesendet und dort gesammelt, bevor endgültig bestellt wird.
Die Druckerei kennt diesen Weg, hat eine interne SAP Schnittstelle, über die die Fachabteilungen direkt bestellen können. Dabei können bis zu 30 % interne Prozesskosten gespart werden. Das ist ein gutes Einstiegsargument, um Gehör zu finden. Weil die Chemiebranche arg unter Preisdruck steht und auch mit Fachkräftemangel und Nachwuchssorgen zu kämpfen hat.
Und da finde ich immer ein offenes Ohr. Die weitere Argumentation ist dann zum Beispiel, dass ich sage ihr habt 20 Bestellungen im Monat und Ihr sammelt das immer über den Einkauf, dann geht es zu uns.
Mit unserer SAP Schnittstelle könnt ihr das auch direkt mit uns machen und wir produzieren entweder vor oder wir liefern on demand natürlich. Und das wird euch einiges an Geld einsparen. Wieviel genau können wir gerne gemeinsam ausrechnen.
Sobald es dann darum geht, wie das Ganze umgesetzt werden kann, schaltet sich natürlich gerade bei größeren Unternehmen die IT-Abteilung oder ein externer IT-Berater ein. Und dann sollte ich als Verkäufer auch jemanden dabei haben, der sich mit den technischen Details auskennt.
Frank Siegel
Jetzt sind wir schon mittendrin im zweiten Bereich.
Wir haben im ersten Teil festgestellt, es ist notwendig erstmal eine Strategie zu haben, sich festzulegen welcher Kunde oder welche Branche für uns interessant ist.
Welche Möglichkeiten, welche technische Lösungen können wir Ihnen anbieten?
Und jetzt sind wir schon in den nächsten Bereich gekommen, nämlich, wie verkaufe ich das überhaupt?
Also die Trennung von analogem, konventionellen, traditionellen Verkauf und digitalem Verkauf.
Uli Jeusfeld
Ja, genau.
Frank Siegel
Jetzt mal prinzipiell, wie stehen die Kunden zum Vertrieb und zu Verkäufern?
Es gibt ja Druckereien, die haben gar keinen richtigen Vertrieb. Die arbeiten einfach mit ihren vorhandenen Kunden und arbeiten gar nicht im aktiven Verkauf. Oder auch bei jungen Leuten, die wollen gar keinen Verkauf mehr machen.
Was sagst du dazu?
Es heißt gerne, wenn man digitale Services anbietet, kann man den Kunden einfach eine Schnittstelle geben, dann brauch ich ja gar keinen Verkauf mehr. Das wäre gerade das Gegenteil.
Uli Jeusfeld
Da sage ich nur, wahrscheinlich ein bisschen böse, seit ziemlich genau 20 Jahren warten wir Druckereien darauf, dass sich Kunden melden und seit 20 Jahren gibt es die großen Online Drucker und Kunden, die dahin gewechselt sind. Die haben nicht vorher bei ihrer Druckerei angerufen und gefragt, könnt ihr es billiger, könnt ihr Sammelformen? Wir warten noch bis ihr soweit seid oder könnt ihr auch über Schnittstellen? Die sind einfach gegangen.
Meistens erstmal aus Kostengründen und weil Drucksachen auf einmal überall erhältlich waren.
Das heißt aber, warten, bis sich jemand meldet, ist nie gut und gerade nicht in der heutigen Zeit, wo sich so viel verändert. Vertrieb ist für mich auch Akquise, das gehört für mich einfach zum Berufsbild dazu. Die Frage ist nur, wie definiere ich das, wenn ich sage Vertrieb oder Akquise?
Und auf diese Definition treffe ich oft. Vertrieb ist Kaltakquise und irgendwie rhetorisch den Kunden um den Finger wickeln und so weiter, so wie das früher mal war oder stundenlang Listen abtelefonieren.
Das hat sich ja alles komplett gedreht.
Mittlerweile empfehle ich immer Warmakquise. Das heißt, ein freundliches in Kontakt treten mit dem Kunden und fragen, ob er an bestimmten Themen interessiert ist und ihn dann mit Informationen füttern.
Das bedeutet, Dokumente und Informationen vorbereiten und dann über verschiedene Touchpoints, über einen längeren Kontakt, immer wieder Vertrauen aufbauen, bis der Kunde dann sagt, ja, das ist ein Thema bei uns und wir haben Probleme damit. Zum Beispiel haben wir Chaos bei den ganzen internen Bestellungen, das kostet uns sehr viel Zeit. Haben sie nicht eine Idee?
Und dann kann ich weiter reingehen. Und jetzt fängt die Bedarfsermittlung an.
Für den Shop zum Beispiel oder wie eben in dem Beispiel für die SAP Schnittstelle. Aber Akquise gehört dazu.
Man sollte allerdings nicht rhetorischen Druck am Telefon aufbauen. Wichtiger finde ich, gute Daten zu haben, um dann sagen zu können, wenn ich momentan keinen konkreten Termin bekomme, dann eben in einem halben Jahr.
Frank Siegel
Das heißt also auch, wenn man digitale Services anbietet, dann muss man eigentlich noch viel mehr verkaufen und man muss es auch richtig machen.
Also deine Methode ist es, mit Nachhaltigkeit zu arbeiten und auch den Kunden mal zu sagen, okay, ich lass dir ein halbes Jahr Zeit und nehme als Verkäufer dann eher Beraterfunktion ein. So habe ich das jetzt verstanden.
Uli Jeusfeld
Ja. Wenn ich beim Webshop oder bei einer Schnittstelle bleibe. Es geht ja nicht darum, dass der Kunde sagt, ich teste morgen mal die Flyer von dir, oder die Etiketten oder was auch immer. Das machen die Produzenten, die zum Beispiel die Etiketten regelmäßig einkaufen sowieso nicht. Die schmeißen nicht einfach einen Hersteller raus und holen den nächsten rein. Da muss schon einiges passieren. Und genauso ist es natürlich auch, wenn es um Web to Print geht. Da läuft vorher natürlich intern ein Prozess ab. Die werden ja nicht das, was sie die letzten 10 Jahre gemacht haben, von heute auf morgen ändern.
Das heißt, ich habe es immer auch mit einem Veränderungsprozess zu tun. Deswegen ist es auch wichtig, und das ist mehr und mehr meine Methode, nicht nur übers Telefon oder mal über den Außendienst-Besuch oder natürlich auch über E-Mail zu akquirieren, sondern auch mit schriftlicher Argumentation, das heißt mit schriftlichen Dokumenten zu kommen. Es gibt auf Kundenseite immer interne Meetings dazu und einen Entscheidungsprozess über Wochen oder Monate und wie gesagt, so einfach ändert man das nicht. Deswegen setze ich mehr auf Nachhaltigkeit und auf Beziehungsaufbau.
Frank Siegel
Du weißt, ich bin auch im Vertrieb tätig. Mir zeigt das, dass das Bild eines Verkäufers, der einfach nur immer das Telefon in die Hand nimmt, irgendjemand anruft, gar nicht mehr stimmt. Es geht los, wie du vorhin gesagt hast, mit Strategie, und es ist auch Handwerkszeug, um das Ganze aufzubauen, was mir bei deinem Ansatz, bei deiner Methode gefällt.
Was mir auch gefällt ist die Beziehungsarbeit. Also, dass es nicht darum geht, einfach jemandem irgendwas aufzudrücken, sondern dass man wirklich als Berater da ist und den Kunden dann sagt, wenn du mich brauchst, bin ich für dich da. Das ist aber auch Arbeit und man muss eben auch die Informationen zusammenstellen.
Uli Jeusfeld
Ja genau.
Wenn ich einen Auftrag akquirieren möchte, nehme ich mir dafür Zeit und liefere Nutzen und Mehrwert, wo auch immer ich kann. Ich gehe nicht über den Preis. Darüber bekomme ich vielleicht den schnellen Auftrag, aber dann hab ich ja auch viel Arbeit mit wenig Marge. Der Preis kann allerdings mal der Aufhänger sein.
In der Chemie Branche haben wir festgestellt, es ist ein super Aufhänger, wenn wir sagen, wir können Ihnen wirtschaftlich sehr gute Angebote zu machen.
Aber es kann ja im Endeffekt nicht sein, dass ich versuche, die Online-Anbieter und die Online-Shops nochmal mit dem Preis zu unterbieten, nur um Volumen zu haben.
Damit tue ich mir selbst keinen Gefallen.
Frank Siegel
Also geht es im Endeffekt darum, den richtigen Bedarf beim Kunden zu finden. Die Probleme, die er hat, zu kennen und dann die richtige Lösung anzubieten.
Uli Jeusfeld
Ja. Es gibt immer Auslöser für Veränderungsprozesse und Einkaufsprozesse. Zum Beispiel die fehlende Individualität bei Online Shops oder aber Konsistenz bei Wiederbestellungen, Reaktionsgeschwindigkeiten bei Schwierigkeiten, das sind typische Trigger oder Auslöser. Wenn ich die bei Neukunden anspreche und ihnen erkläre, dass wir uns als Druckerei speziell darauf einstellt haben, dann fangen Kunden an darüber nachzudenken, ob sie vielleicht mal was ändern sollten. Wenn ich das in den ersten Gesprächen herausgearbeitet habe und natürlich auch gleich schriftlich hinterlege, warum wir da gut sind und warum Kunden zu uns kommen, dann komme ich immer tiefer rein in den Einkaufs- und Entscheidungsprozess des Kunden. Dann kann ich zum Beispiel mit einer Checkliste zum Kunden gehen und sagen, so, was möchtest du denn in Zukunft?
Welche Produkte hast du, möchtest du kalkulieren? Oder möchtest du im Shop grafisch gestalten und was für Vorlieben hast du? Bist du eher der serviceorientierte Mensch oder der Preisentscheider? Bist du der Entscheider und wer entscheidet noch?
Frank Siegel
Okay, cool, jetzt sind wir schon eigentlich am letzten Punkt angekommen.
Am Ende des Tages kommt der Kunde, du hast den Bedarf und der Kunde sagt, ja, ich möchte jetzt was tun. Ich möchte mich verändern. Wie kann ich jetzt mein Angebot aufbauen? Wie bringe ich das dem Kunden rüber, dass er bestellen möchte?
Uli Jeusfeld
Vielleicht vorab noch ein paar Fakten.
Wir können im Vertrieb also davon ausgehen, dass wir zu mindestens 80% der Entscheidungszeit eines Kunden gar nicht direkt auf ihn einwirken können.
Wir sind weder vor Ort, noch am Telefon usw. Über 80% ist der Kunde alleine. Das heißt aber nicht, dass er intern nicht mit anderen redet, Entscheidungen trifft, auswählt, welchen Lieferanten oder welchen Partner nehmen wir, usw. Von daher ist es wichtig auch etwas Schriftliches zu schicken und zwar zu möglichst vielen Empfängern, damit das präsent ist.
Und der andere Punkt ist die Erkenntnis, dass fast 40% aller Softwareprojekte im Vertrieb versanden, weil die nötigen Trigger, die Aufmerksamkeit, nicht so da sind über die Zeit. Es kommen auf Kundenseite immer wieder neue Themen ins Spiel, die ihn ablenken können. Und vor allen Dingen ist es auch oft so, dass Kunden unsicher sind, ob sie die richtige Entscheidung treffen und ob sie gerade jetzt wirklich wechseln sollen?
Viele Menschen und auch Organisationen nehmen lieber Unannehmlichkeiten der Gegenwart in Kauf, als etwas Neues zu machen und sich zu verändern.
Wenn man jetzt ein Angebot schickt, sollte es in 3 Abschnitte gegliedert sein. Im ersten sollte die Kundensituation wiedergespielt sein, also seine Ziele, die Herausforderungen und Pain Points und natürlich sehr konkret die Anforderungen, die er an die Soll-Situation hat. Dazu gehört mehr als nur die technischen Anforderungen, nämlich zum Beispiel auch und gerade die individuelle Anpassung der Bediener-Oberfläche, zum Beispiel das Thema Softproof, wie eben erklärt. Je individueller ich die Anforderungen ins Angebot aufnehme, desto individueller bin ich auch mit meinem Angebot. Und umso weniger vergleichbar. Ich muss ja immer auch damit rechnen, dass der Kunde sich mehrere Angebote kommen lässt.
Frank Siegel
Ok, verstehe. Je mehr ich vom Kunden erfrage, desto individueller ist dann auch mein Angebot.
Uli Jeusfeld
Ja genau. Und im zweiten Teil kommt dann die exakte Lösung, die genau den Zielen und Anforderungen entspricht und auch darstellt, wie die Pain Points dadurch aus der Welt geschaffen werden.
Frank Siegel
Und was ist mit einer ROI Rechnung zum Beispiel?
Uli Jeusfeld
Die gehört auch in den zweiten Teil. Eine Faustformel für die Prozesskosten ist: Anzahl der Besteller mal Anzahl Bestellungen pro Woche oder pro Monat plus die interne Bearbeitungszeit dafür. Bezogen auf die Besteller einer Fachabteilung zum Beispiel und die Zeit, die der Einkauf dazu benötigt. Das Ganze dann natürlich mit Stundensätzen berechnet.
Frank Siegel
Ok, verstehe, das ist bei unserem Obility ERP ja da gleiche. Da errechne ich ja auch den Return on Invest je nach Anzahl User und Anzahl von Tätigkeiten.
Uli Jeusfeld
In den zweiten Teil kommt dann auch der Preis und in den dritten Teil kommt die Vorgehensweise bei der Umsetzung des Ganzen.
Die ist bei einem Webshop natürlich deutlich komplexer als bei einer einfachen Schnittstelle. Bei einem Shop gehören Anpassungen der Oberfläche, Einrichten von E-Mail Adressen und so weiter dazu, je nach Anforderungen. Und natürlich ein Zeitplan für die Umsetzung, Mitarbeiterschulungen und so weiter. Der Zeitplan sollte am besten schon vor dem Angebot mit dem Kunden abgestimmt werden.
Frank Siegel
Vielen Dank Uli, ich glaube, das hat deine Darstellung komplett gemacht und abgerundet.
Uli Jeusfeld
Ja klar. Ich bedanke mich schon mal für das Interview und das Interesse und die investierte Zeit der Zuhörer.
Frank Siegel
Wichtig ist, zu verstehen der Vertrieb ist ein Handwerk, und nicht nur anzurufen irgendwo, sondern es geht um Strategie.
Es geht nicht nur ums Kommunizieren, es geht auch darum Dokumente zu erstellen, um den Kunden zeigen zu können, was man alles kann.
Vielen Dank Uli, man kann dich natürlich als Berater buchen und vorab erstmal ein ganz unverbindliches Gespräch führen.
Vielen Dank an die Zuhörer!